Ab dem 11. Oktober zeigt das Kloster Steinfeld großformatige Bildteppiche, in denen die Frauen der Kunst- und Qualifizierungswerkstatt Spectrum die Rollen traditionell männlicher Heiliger einnehmen. Sensibel, würdevoll und verbindend stellen die Kunstwerke die Frage: Was wäre, wenn Stärke, Schutz und Verantwortung ganz selbstverständlich in die Hände von Frauen gelegt werden würden?
Seit seinen Anfängen kennt das Christentum starke Frauenfiguren: Maria Magdalena als Vertraute Jesu und Zeugin der Auferstehung, die Gottesmutter Maria als Himmelskönigin. Auch in der alttestamentarischen Tradition existieren aktiv und bisweilen drastisch handelnde Frauen wie die Prophetin und Richterin Debora, die mit ihrem Volk in den Krieg gegen die Kanaaniter zieht, oder die berühmte Judith, die dem feindlichen Holofernes den Kopf abschlägt und so ihr Volk rettet.
In der christlichen Kunst der letzten Jahrhunderte finden sich Darstellungen von Frauen mit Symbolen von Macht, Stärke und Autorität jedoch selten. Die Vielzahl der Darstellungen weiblicher Heiliger ist von Zeichen von Hingabe, Fürbitte oder Martyrium geprägt.
Die Ausstellung Ikonen des Möglichen verbindet die ursprünglich spezifischen weiblichen und männlichen Merkmale christlicher Heiliger zu einer Gesamterzählung: Was wäre, wenn Frauen ebenso als Trägerinnen von Stärke, Schutz und Verantwortung abgebildet würden – ganz selbstverständlich? Wie würde sich unsere Vorstellung eines gleichberechtigten Miteinanders verändern, wenn alle Zugang zu den gleichen Rollen und Funktionen hätten – sei es in Religion oder Gesellschaft?

Ghada als Christophorus
So begegnen uns auf den aufwändig gestalteten Wandteppichen der Ausstellung lebensgroße Frauengestalten in der Rolle traditionell männlicher Heiliger: Sie tragen Lasten und Verantwortung, sie öffnen Wege und Türen, sie schützen, teilen, repräsentieren. In ihnen erkennen wir die Präsenz von Christophorus, Nikolaus, Petrus und weiteren Heiligen.
In ihnen erkennen wir aber auch die Frauen der Kunst- und Qualifizierungswerkstatt Aachen, die für die Heiligenfiguren Portrait standen: Frauen mit bewegten Biografien, deren Würde und Wirkmacht sie hier in ihren selbst geschaffenen Kunstwerken voller fein gearbeiteter Stickereien, floraler Ornamente und weitläufiger Landschaften zum Ausdruck bringen. Würde und Macht, davon zeugen die Werke, sind auch für Frauen in Selbstverständlichkeit denk- und lebbar.

Detail Ikonen des Möglichen
Das Heilige Jahr 2025 lädt Menschen weltweit ein, als Pilger der Hoffnung unterwegs zu sein. Im Bistum Aachen wurde das Kloster Steinfeld als einer von drei besonderen Pilgerorten ausgewiesen, ein Ort der Besinnung, der Einkehr und der offenen Türen.
Auch der Rheinische Verein für Katholische Arbeiterkolonien e.V. stellt sein Wirken in den Dienst eines sozialen Miteinanders, das Zugänge schafft und Chancen eröffnet für Menschen, deren Lebenswege häufig von Ausgrenzung, Verhinderung und – damit einhergehend – Unsichtbarkeit begleitet sind. Wir nehmen dieses besondere Jahr zum Anlass, auf die Belange derer hinzuweisen, denen eben nicht genug Türen offenstehen.
Im Zentrum der Ausstellung Ikonen des Möglichen steht darum die Frage, wo Türen heute verschlossen bleiben: Wo stoßen Frauen in Kirche, Kunst und Gesellschaft an ihre Grenzen? Und viel wichtiger: Auch um die Frage, was es braucht, um Schwellen zu übertreten, wird es gehen, um Selbstermächtigung und Solidarität, um das Erkennen der eigenen Handlungsfähigkeit und um die Notwendigkeit struktureller Veränderungen.
Spes non confundit, heißt es in der päpstlichen Bulle zum Heiligen Jahr: Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen. Diese Hoffnung heißt es zu leben und nach außen zu tragen, sie drängt zu Bewegung, ins Gespräch, ins Gestalten.
Die Ausstellung wird ab dem 11. Oktober bis zum Jahresende im Kreuzgang des Klosters Steinfeld während der regulären Öffnungszeiten zu sehen sein.
Wir bedanken uns herzlich bei der Aktion Mensch für ihre Förderung und Unterstützung und beim Kloster Steinfeld und der Stiftung Kloster Steinfeld für die gute Zusammenarbeit und Unterstützung.

